Kunst als Orientierungssinn

Kunst als Orientierungssinn für die innere Dunkelheit

Unser Orientierungssinn, mit dem wir uns im Raum bewegen, setzt sich aus mehreren Sinneswahrnehmungen zusammen. Sehen, Hören, Riechen, Tasten sind ebenso beteiligt wie der Gleichgewichts- und Muskelsinn (Tiefensensibilität der Muskeln).

Innere Dunkelheit

Wenn wir uns im Dunkeln befinden, dann können wir uns je nach dem Grad der Dunkelheit nicht mehr gut mit den Augen orientieren. Im übertragenen Sinne geht uns das auch mit unserer inneren Dunkelheit so. Traumata, schwere Lebenskrisen oder Krankheiten vernebeln uns den Blick auf die Zukunft. Alles scheint grau und düster, fühlt sich eng an. Wir wissen nicht mehr wo es lang geht, haben die Orientierung verloren.

Kunst als Navigationsgerät

Der künstlerische Ausdruck dient uns als Navigationsgerät in der Dunkelheit. Die Kunst hilft uns, die Perspektive zu erweitern, um klarer zu sehen. Die herkömmlichen gesellschaftlichen Bewertungskriterien von Kunst sind hier unbedeutend. Die Kunst entspringt unserer intuitiven Seite. Sie manifestiert intuitive Botschaften, wenn sie einen authentischen, freien Ausdruck findet. Das Kunstwerk macht Inneres im außen sichtbar.

Jedem steht eine lange vernachlässigte Form einer universellen Sprache zur Verfügung, die sich in einer unmittelbaren, intuitiven, fühlenden Wahrnehmung ausdrückt. Diese Wahrnehmung kann sich beispielsweise in Bildern, Mythen, Märchen, Geschichten, Tanz oder Musik ausdrücken. Die intuitive Seite in uns denkt in bildhaft metaphorischen Assoziationsnetzen. Assoziationen zu den Kunstwerken wecken Resonanzen und übersetzen die traumähnliche Bildsprache in Worte.

Worte schaffen Klarheit

Wir alle sprechen ganz selbstverständlich die Sprache der Buchstaben und der Worte, die dem rationalen Denken entspringt. Unsere Ratio schenkt uns die Gabe zum logischen und analytischen Denken. Wenn ich etwas benennen kann, dann kann ich es begreifen. Worte drücken aus, schaffen Klarheit, geben Orientierung. Worte sind unser alltägliches Handwerkszeug, mit dem wir Wirklichkeiten kreieren.

Wir müssen diese unterschiedlichen Formen, Wort und Bild, zusammenbringen.

Die Intuition nutzt das assoziative Denken. Der künstlerische Ausdruck lebt von der Gleichzeitigkeit. Kunst kann Widersprüchliches nebeneinander zeigen und bestehen lassen. Auch Unaussprechliches darf sichtbar werden. Die in der Entstehung befindliche Zukunft kann sich mit neuen Perspektiven zeigen. Unser Verstand hilft uns dabei, durch Worte etwas auszudrücken und uns mitzuteilen. Nur wenn wir etwas in Sprache fassen, können wir es auch reflektieren. Auf diese Weise wirken die Kräfte – Verstand und Intuition – zusammen.

Ulrike Hinrichs – Kunst als Sprache der Intuition – Der holografische Ansatz in der Kunsttherapie und kunstanalogen Transformationsprozessen Synergia-Verlag, ISBN 9783906873824 

(c) Ulrike Hinrichs 2021