
Kettenreaktion
Gebetsketten kennen wir aus vielen Religionen. Im Buddhismus und Hinduismus ist es die Mala, im Islam die Tesbih und Christentum der Rosenkranz. In der schamanischen Praxis werden Perlenschnüre aus kleinen Knochen verwendet. Die Katholiken zählen an den Perlen des Rosenkranzes ihre Gebete ab. Im Buddhismus hilft die Mala zur Vertiefung in der Meditation. Im Islam benutzen die Moslems ihre Gebetskette um den Namen Allahs zu preisen. Gemeinsam haben die Gebetsketten die rituelle Wiederholung. Bei diesen meditativen Erfahrungen werden im Gehirn durch die tiefe Entspannungssituation Theta Frequenzen aktiviert. Der Theta Bereich steigert die Empfänglichkeit für innere Bilder und die Intuition. Bei gemeinschaftlichen Gebeten synchronisieren und vernetzen sich die Gehirne der Menschen.[1] „Synchronisierte Schwingungsprozesse“ sind das „verknüpfende Prinzip der Interaktion von Gehirn, Körper und Umwelt“, so Fuchs.[2] Auch künstlerische Prozesse bringen uns in einen Flow und wecken bestenfalls diesen Bereich der Theta Wellen. In solchen Entspannungssituationen kommt es zu einem intensivierten inneren Erleben, das oft von einem verstärkten inneren Bilderfluss begleitet wird. Die Intuition wird in Problemsituationen durch vergangenheitsgeleitete Denk- und Gewohnheitsmuster eher blockiert und im Umkehrschluss durch Herausforderungen und neue Situationen geschärft.
Unser Gehirn liebt Rituale und Zeremonien
Wir können künstlerische Prozesse als Rituale und Zeremonie nutzen, um Veränderungsprozesse zu bewältigen. Vor allem unsere ältesten Gehirnteile, der Hirnstamm und das limbisches System, lieben Rituale und Zeremonien. Der Mandelkern (Amygdala) und der Hippocampus als Teil des limbischen Systems regeln vor allem unsere emotionalen Reaktionen. Insbesondere die Entstehung von Angst ist im Mandelkern verankert. Das limbische System prüft einströmende Umweltreize und reagiert mit Emotionen wie beispielsweise mit Wut, Gewalt und Angst auf Stresssituationen. Es sichert unser Überleben durch schnelle Reaktionen. In lebensbedrohlichen Gefahrensituation wird unmittelbar mit Flucht, Angriff oder Erstarrung reagiert. Durch unverarbeitete Traumata sind unsere Angstzentren oft übersensibel, reagieren also auch, wenn gar keine wirkliche Gefahr vorhanden ist. Gerade in Situationen, die an ein ursprüngliches Trauma erinnern, reagiert unser System hochsensibel.
Zeremonien verankern Lernerfahrungen
Zeremonien und Rituale helfen, Angst zu bewältigen und Veränderungsprozesse zu begleiten. Zeremonien durchbrechen die Alltagsroutine, ziehen damit Aufmerksamkeit und verankern Lernerfahrungen. Sie unterstützen Transformationsprozesse. Wir kennen solche Zeremonien für Übergangs- und Veränderungsprozesse in vielen Lebensbereichen. Taufe, Konfirmation oder Jugendweihe, Trauerfeiern, Hochzeiten, Geburtstage, sind einige davon.
Mit Zeremonien meine ich keine komplexen gar religiös gesetzten Abläufe. Eine kleine Zeremonie kann auch ein bewusst gestaltetes Bild zu einem schwierigen Lebensthema sein. Ich kann mir künstlerisch ein Krafttier oder einen sicheren Ort erschaffen oder auch ein altes Trauma begleitend künstlerisch verdauen (siehe zum Beispiel Die Weisheit der Wunde entdecken).
Jenseits unseres Verstandes, der zwar viele Dinge verstehen, aber nicht begreifen kann, sprechen wir mit Zeremonien unsere Seele an. Sie bevorzugt und versteht eine Sprache der Bilder, Mythen, Zeremonien, Märchen und Geschichten. Unser innerer Heiler/ unsere innere Ärztin wird erweckt.
Ulrike Hinrichs 2021

Ulrike Hinrichs – Kunst als Sprache der Intuition – Der holografische Ansatz in der Kunsttherapie und kunstanalogen Transformationsprozessen Synergia-Verlag, ISBN 9783906873824
Literatur
[1] Mehr dazu in meinem Buch “Kunst als Sprache der Intuition – Der holografische Ansatz in der Kunsttherapie und kunstanalogen Transformationsprozessen “
[2] Fuchs, Thomas (2008, S. 7). Geleitwort. In: Scheuerle, Hans Jürgen. Das Gehirn ist nicht einsam. Resonanzen zwischen Gehirn, Leib und Umwelt. Stuttgart: Kohlhammer.
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