
Kuscheltier Mensch
Wie können wir wieder – im doppelten Sinne des Wortes – mehr berührt werden, uns berühren lassen?
Gestreichelt werden, kuscheln, umarmt werden: Berührungen wecken Gefühle von Zuwendung, Trost, Geborgenheit, Zugehörigkeit und Liebe. In einer vereinsamenden Gesellschaft ist das ein Alarmzeichen. Berührungsmangel in der Kindheit ist besonders fatal. Das Urvertrauen in die Welt wird in der frühen Kindheit vor allem auch über den Körperkontakt vermittelt. Die Generation im und nach dem zweiten Weltkrieg ist von einer berührungslosen Kindheit gezeichnet. Die Erziehung wurde wesentlich von der Nationalsozialistin und Ärztin Johanna Haarer mit ihrem Erziehungsratgeber ‚Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind‘ (1934) geprägt. Hier ging es um Zucht und Ordnung, nicht um Liebe und Zuneigung. Umarmungen, auch bei Schmerz und Kummer des Kindes warten verpönt. Es durfte als Erziehungsmittel stattdessen geschlagen und geohrfeigt werden. Wenn Babies schrien, so sollte man als Mutter diesem Schreien auf keinen Fall nachgeben, um die Kindern nicht zu verhätscheln. Das haben viele so erlebt. Ich selbst – Nachkriegskind, Jahrgang 1965 – erinnere mich noch an Sätze wie: „Alles was nicht unmittelbar zum Tode führt härtet ab“. Die Betroffenen leiden ein lebenslang unter dieser Form der emotionslosen Erziehung.
Wenn man Gefühle nicht nährt, dann spürt man sie immer weniger, so aber der Psychotherapeut Prof. Dr. Musalek. Heute gelten zwar die alten Erziehungsmethoden nicht mehr. Dennoch leben wir in einer Zeit der Berührungslosigkeit. Wir sind – und das ist gut so – sensibilisiert für sexuelle Übergriffe auf Kinder in Kirchen, Kindergärten und im familiären Umfeld. Der Nebeneffekt einer wichtigen Fokussierung auf dieses Tabuthema ist aber, dass sich nun Erzieher/innen, Pädagog/innen und Lehrer/innen gut überlegen, ob sie ein Kind in den Arme nehmen, berühren. Körperliche Berührungen sind auch in der Psychotherapie ein Tabu, um ein weiteres Beispiel zu bringen.
Nun die gute Nachricht: wir können etwas ändern, wir können beispielsweise uns die nötigen Streicheleinheiten selbst schenken, uns bewusst und mit Genuss eincremen, massieren. Auch die berührende Verbindung zu Haustieren hilft dem Menschen. Der Kontakt von älteren Menschen zu Kindern, Enkelkindern, Umarmungen, Hand in Hand spazieren gehen, all das nährt uns. Wir können zudem mehr kleine Berührungen in unserer Umgebung etablieren. Denn es hat etwas mit Bewusstwerdung bzw. Bewusstheit für dieses Thema zu tun. Etablieren Sie die Idee des Berührens und Berührt Werdens (wieder) in ihren Alltag. Durchbrechen Sie den Trend der Berührungslosigkeit.
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(c) Ulrike Hinrichs
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