„Wissende Informationsfelder“
Wissen ist nicht im Gehirn, sondern das Hirn im Wissen.
Hans Hein
Dem heute noch weitgehend materialistisch-mechanistisch geprägtem Weltbild wird zunehmend ein Paradigmenwechsel hin zu einer holografischen Weltsicht abverlangt, der auch Auswirkungen auf die Psychotherapie hat. Das holografische Weltbild überschreitet die Grenzen der dreidimensionalen Realität, der Materie, in den virtuellen universellen Raum. Jedes System ist danach ein Holon, Teil eines größeren Ganzen, das gleichzeitig das Ganze repräsentiert. Auch der Mensch ist als ein Bestandteil und Spiegel des gesamten Universums, eines Mikrokosmos im Makrokosmos, zu verstehen. Wissen und Erfahrungen sind in universellen Feldern gespeichert, mit denen der Mensch mittels seiner Intuition in Resonanz steht. Psychische Beeinträchtigungen und seelischen Nöte wechselwirken ebenso mit diesen Feldern wie kollektive Verletzungen und Traumata. Auch das Menschenbild für die Kunsttherapie wird holografisch verstanden.
Mit der Annahme einer holografischen Sichtweise (siehe dazu mein Beitrag TraumAtelier: Was sagen uns Intuition, innere Bilder und Träume?) einher geht die Idee, dass die Verarbeitung und Speicherung von Erfahrungen im Gehirn des Menschen nach Prinzipien der Holografie erfolgt, so wie auch bei einem Hologramm Bilder als Frequenzmuster gespeichert werden. Hein beschreibt es anschaulich mit dem Satz „Wissen ist nicht im Gehirn, sondern das Hirn im Wissen.“ „Jeder Einzelne bildet ein kleines geistiges Feld, das auf andere wirkt und damit die ganze Welt beeinfluss“, ergänzt Michel.[2] Der Physiker und Biologe Warnke beschreibt die universellen Wirkmechanismen eines “Geist-Bewusstseinsfeldes“ noch konkreter:
„Es existieren insgesamt drei Phasen der Schöpfung:
- Hintergrundfeld (syn. Null-Punkt-Feld, Psi-Feld, ‚Meer aller Möglichkeiten‘) Superpositions-Rauschen als Quelle von Allem;
- Universelles intelligentes Informations-Feld (Universelles Bewusstsein) mit kosmischer Selbstregulation (Evolution);
- Individuelles intelligentes Informations-Feld (Wesen-Bewusstsein).“[3]
Diese (noch) nicht messbaren Wissenskraftfelder sind dynamisch und sich entwickelnd.[4] Zu klären ist die Frage, wie der Mensch mit solchen Wissensfelder in eine Verbindung treten kann. Der holografische Ansatz geht davon aus, dass sich dies durch ein Einschwingen auf die Feldfrequenz vollzieht. Das Individuum geht in Resonanz mit dem wissenden Feld und vice versa. Felder und Gedankenformen nähern sich einander an, überlappen sich und verschmelzen miteinander, beschreibt es Wallner.[5]
Es ist, „als würden wir alle in einem natürlichen synästhetischen Netz leben, in dem die Sinne die Fäden ziehen und die Materie dementsprechend auskristallisiert“.[6]
Der renommierte Biologe Sheldrake nennt es „morphische Resonanz“.[7] „Allen morphischen Feldern wohnt ein Gedächtnis inne, das sich durch morphische Resonanz bildet.“[8] Jedes System, auch der Mensch, ist ein schwingendes System.[9] Der Mensch ist Teil des universellen Energiefeldes. Er tritt je nach Eigenschwingung in Resonanz mit kollektiven bzw. universellen Feldern. [10]
Das Phänomen der Resonanz wird aktuell in unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen diskutiert.[11] Auch im Alltagssprachgebrauch hat sich der Begriff Resonanz manifestiert. Die Bedeutung von Resonanz hat zwar einen gemeinsamen Ursprung, allerdings werden Resonanzphänomene je nach wissenschaftlichem Ansatz und Weltbild unterschiedlich gedeutet. Übereinstimmend wird unter Resonanz ein Phänomen der wechselseitigen Bezogenheit verstanden. In der Musik bezeichnet man das Mitschwingen einer nicht gespielten Saite beim Ertönen eines gleichgestimmten Instruments als Resonanz. In der Physik und Technik beschreibt Resonanz das verstärkte Mitschwingen eines schwingungsfähigen Systems.[12] Resonanz beschreibt darüber hinaus auch das Einschwingen des Einzelnen auf andere Menschen und die ihn umgebende Welt.
„Emotionale Resonanz als eine bestimmte Form zwischenmenschlicher Interaktion ist eine basale Erfahrung jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Sie meint eine ganzheitliche Form des Aufeinander-bezogen-Seins und bezieht als prä- bzw. extraverbales Beziehungsgeschehen die seelische, körperliche und geistige Ebene gleichermaßen mit ein. Emotionale Resonanz ist in einem weiteren Kontext ein „transverbales“ Phänomen, in dem letztlich das Geheimnis des Angerührt-Werdens zum Ausdruck kommt. Emotionale Resonanz lässt in uns etwas anklingen und berührt uns. Ob, wann und in welchem Ausmaß etwas in mir oder im Anderen anklingt, ist weder machbar noch kontrollierbar und erhält letztlich eine spirituelle Dimension“, konstatiert etwa die Musiktherapeutin Gindel.[13]
Rosa beschreibt Resonanzphänomene als ein „rhythmisches Aufeinander-einschwingen“[14] zwischen dem Menschen und seiner Umwelt.[15] Resonanz sei als ein Bezogensein auf die Welt, ein dialogisches Eingebundensein in die Erfahrungen des Lebens zu verstehen. Auch der Raum zwischen Therapeuten und Klienten stellt einen Resonanzraum dar, in dem sich die Beteiligten aufeinander einschwingen.[16] Ergänzend konstatiert er, „dass beide Seiten – Subjekt und Welt – in der und durch die wechselseitige Bezogenheit erst geformt, geprägt, ja mehr noch: konstituiert werden. Was und wie ein Subjekt ist, lässt sich erst bestimmen vor dem Hintergrund der Welt, in die es gestellt und auch auf die es sich bezogen findet; Selbstverhältnis und Weltverhältnis lassen sich nicht trennen.“[17] Resonanz sei, so Rosa, „ein mehrdimensionaler Prozess, der sich sowohl zwischen innerpsychischen Ebenen als auch zwischen leiblichen und geistigen Sphären des Subjekts und schließlich zwischen Selbst und Welt abspielt. Dabei bezeichnet sie nicht einfach einen Zustand der Übereinstimmung beziehungsweise der Widerspruchsfreiheit, sondern ein aktives, dynamisches Moment der Begegnung beziehungsweise des wechselseitigen Angesprochenseins: Leib und Geist, Selbst und Welt treten in eine gleichsam energetisch aufgeladene Form des Kontakts.“[18] Bestimmt man Resonanz mithin als eine spezifische Art des responsiven „Auf-die-Welt-Bezogenseins“, so wirft Rosa selbst die Frage auf, inwieweit die Welt „wirklich antwortet“.[19] Er stellt dazu fest, dass ein rationalistisches materialistisch-mechanistisches Weltverständnis, das auf „stummen“ Weltbeziehungen basiert, „von denen aus die Objekte (die Wälder oder Steine, der Kosmos oder auch die Neuronen oder nutzenmaximierenden Individuen) kaum als Antwortende gedacht werden können.“[20] Gleichzeitig grenzt Rosa sich aber von Resonanzbeschreibungen ab, die die Grenzen der materialistischen Weltsicht verlassen: „Wer immer behauptet oder auch nur andeutet, es gäbe solche (geheimen, feinstofflichen etc.) Schwingungen in irgendeinem materiellen oder substantiellen Sinne, läuft Gefahr, den Boden begrifflich und analytisch exakter und empirische fundierte Sozialtheorie zu verlassen und ins unwiderruflich Esoterische abzugleiten.“[21] Rosas Definition von Resonanz bezieht sich auf Resonanzen zwischen Individuum und „Welt“. Dabei bezeichnet er die materialistische Weltsicht einerseits als antwortlose stumme Weltsicht. Andererseits bleibt er in genau diesem Weltbild gefangen, wenn er sich von einer weiterreichenden, von ihm als „esoterisch“ betitelten Weltbetrachtung, die auf metaphysischen Annahmen beruht, abgrenzt. Rosas Beschreibung von Resonanz verdeutlicht anschaulich, wie solche Phänomene des Einschwingens zwischen Mensch und Welt konstituiert sind.
Erlaubt man sich aber eine holografische Sichtweise und damit den Gedanken, dass universelle Wissensfelder existieren, mit denen wir interagieren, so kann man den Kontakt mit diesen Feldern mit Resonanzphänomenen mühelos begründen. Ganz gegen Rosas Intention und Überzeugung vermag daher gerade eine holografische Perspektive das Phänomen einer antwortenden Welt mühelos erklären. Es besteht eine resonante, dynamische Wechselbeziehung zwischen Individuum und Feld. Diese Annahme des Einschwingens steht in Übereinstimmung zu Erkenntnissen der Quantenphysik, wonach alles, auch der Mensch, nichts weiter als ein schwingendes Energiefeld ist.[22] Franckh konstatiert, dass alle Dinge und Lebewesen eine Eigenschwingung besitzen, auch alle Organe und Zellen, ebenso wie Materie. Resonanz stellt daher ein Einschwingen auf ein Schwingungsfeld dar. Die erzeugente Frequenzen resonieren.[23]
Der Körper fungiert, so Sanders, als eine Art „übersinnliche Antenne“ für die medialen Sinne (mediales Fühlen, Hellsehen, Hellhören, Intuition).[24] „Alle unsere Sinne, die körperlichen wie die medialen, funktionieren gewissermaßen dadurch, dass sie eine bestimmte Art von Energie empfangen und auf sie ansprechen. Das körperliche Sehvermögen ist davon abhängig, dass die Energie in Lichtwellen das Auge trifft. Das Ohr nimmt schwingende Energie der Klangwellen wahr. Tastsinn und Geruch funktionieren aufgrund chemischer Energieumwandlungen, die zwischen bestimmten Molekülen und den Rezeptorzellen der Zunge und den Schleimhäuten stattfinden. Die medialen Sinne folgen einem ähnlichen Schema.“[25] Sanders beschreibt „übersinnliche“ Phänomene von intuitiver Erkenntniserlangung, wobei allerdings konstatiert werden muss, dass auch der unscharfe Begriff „übersinnlich“ einer Weltbetrachtung zuzuordnen ist, die materialistisch-mechanistisch geprägt ist. Solche mit einem Unwissenschaftlichkeitsstigma versehenen „übersinnlichen“ Phänomene können und dürfen aus der materialistischen Perspektive nicht existieren, weil sie nicht ins Weltbild passen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Intuition als Schwingungskanal dem Zugang und der Wahrnehmung für Informationen aus dem universellen Feld dient. Die Informationen zeigen sich in Gefühlen, inneren Bildern, inneren Stimmenund plötzlichen Eingebungen und Inspirationen. Die Intuition wird durch die Fokussierung auf den Moment, durch ein Gewahrsein, eine Achtsamkeit für das Jetzt, begünstigt. Die Intuition, so Cassou, „entspringt aus dem riesigen Ozean des Nichtwissens. Sie bringt das Unerwartete und Nonverbale zum Vorschein. Sie lebt außerhalb der mentalen Grenzen und verleiht Gefühlen und dem Geist eine Stimme.“[26]
Hundt bezeichnet die Intuition in ihrer Dissertation zum Thema „spirituelle Wirkprinzipien in der Psychotherapie“ als einen alltagsgebräuchlichen Begriff für eine „Eingebung“. Der Transfer überbewusster Inhalte und Energien in den Bereich des Alltagsbewusstseins lässt sich als spirituelle Inspiration bezeichnen.[27]
Die Welt ist zu komplex, um sie mit unserm einfachen Verstand zu erfassen. Auch die Grundannahmen des holografischen Ansatzes sind ein weiteres neues Narrativ. Von der Welt als Machine, wie sie im materilaistisch-mechanistischen Weltbild verstanden wird, findet die holografische Sichtweise wieder zu einer Welt des Lebendigen. Es lohnt sich daher, über dieses Narrativ zu sinieren…
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LITERATUR
1] Hein, Hans (2015). Das Feld gewinnt. Mülheim Baden: Auditorium-NetzwerkVerlag für audiovisuelle Medien.
[2] Michel, Katarina; Michel, Peter (2016, S. 94). Das universelle Heilungsfeld. Die neue Dimension des Heilens. Grafing: Aquamarin Verlag.
[3] Warnke, Ulrich (2017). Bewusste Schöpfung. Das Geist-Seelen-Feld aus quantenphysikalischer Sicht. Tattva Viveka, Zeitschrift für Wissenschaft, Philosophie und spirituelle Kultur. Ausgabe 70, 2017, S. 22 f.
[4] Siehe dazu auch Michel u.a., a.a.O. (2016, S. 13)
[5] Wallner, Sabrina (2016). Hypersensitiv. Das unbegrenzte Potenzial des menschlichen Geistes. Nördlingen: C.H. Beck.
[6] Wallner a.a.O. (2016, S. 89).
[7] Sheldrake, Rupert (2010). Das schöpferische Universum. Die Theorie der morphogenetischen Felder und der morphischenResonanz. München: Nymphenberger.
[8] Sheldrake a.a.O. (2010, S. 19).
[9] Siehe oben zu den Erkenntnissen der Materie und Quantenphysik.
[10] Laszlo, Ervin (2007). Zu Hause im Universum. Die neue Vision der Wirklichkeit. Berlin: Allegria. Holografisches Lesen im A-Feld Laszlo (2007, S 136).
[11] Rosa, Hartmut (2016, S. 246). Resonanz.Berlin: Suhrkamp Verlag.
[12] Rosa a.a.O. (2016).
[13] Gindel, Barbara (2001, S. 39). Anklang finden – emotionale Resonanz. In: Storz, Dorothee; Oberegelsbacher, Dorothea. Wiener Beiträge zur Musiktherapie, Band 3, Theorie und klinische Praxis als psychotherapeutisches Grundprinzip. Wien: Edition Praesens.
14] Rosa a.a.O. (2016, S. 55).
[15] So auch Bauer, Joachim (2006, S. 17). Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone. München: Heyne Verlag.
[16] Rosa a.a.O. (2016).
[17] Rosa a.a.O. (2016,S. 62).
[18] Rosa a.a.O. (2016, S. 234).
[19] Rosa a.a.O. (2016, S. 289).
[20] Rosa a.a.O. (2016, S. 290).
[21] Rosa a.a.O. (2016, S. 284, 285).
[22] Siehe dazu Michel a.a.O. (2016).
[23] Franchk, Pierre (2009, S. 19). Das Gesetz der Resonanz. München: Koha.
[24] Sanders, A. Pete (2013, S. 22). Das Handbuch übersinnlicher Wahrnehmung. Oberstorf: Windpferd.
[25] Sanders a.a.O. (2013, S. 23).
[26] Cassou, Michele (2015, S., 156). Point Zero – entfesselte Kreativität. Bielefeld: Aurum Kamhausen Mediengruppe GmbH.
[27] Hundt, Ulrike (2007, S. 225). Spirituelle Wirkprinzipien in der Psychotherapie.Eine qualitative Studie zur Arbeitsweise ganzheitlich arbeitender Psychotherapeuten. Psychologie des Bewusstseins (Disertation). Abteilung A. Texte Bd. 3. Berlin Lit Verlag; siehe auch Scagnetti-Feurer, Tanja (2009). Himmel und Erde verbinden: Integration spiritueller Erfahrungen (Dissertation). Würzburg: Königshausen & Neumann.
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